Normalerweise kommt man aus der Arbeiter- und Bauernhochburg problemlos in gut zwei Stunden nach Siegen. Aber was ist schon normal? Und so bescherte uns der Schienenersatzverkehr das Glück, dass einer der fähigsten Mitarbeiter der HSHL den Weg über Essen Hbf wählte. Natürlich war auch von hier die direkte Verbindung betroffen, so dass wir uns bereits um 16-null neun im NRW-Express, der seinem Namen noch alle Ehre machen sollte, dazugesellten. Wir, das ist der Held des Essener Stadtderbys und ein überaus kompetenter junger Mann.
Der völlig überfüllte Zug, der in Essen nur mit leichter Verspätung eintraf, schaffte es, auf einer Strecke von einer halben Stunde fast dieselbe Zeit an Verspätung rauszufahren. Hut ab! Glücklicherweise hatten wir das zu gute Leben dabei und auch einige Produkte von der Stauderstraße in Esssen, die uns beim Erden helfen sollten. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich mich ein wenig geschämt habe. Hatte Schnurzel noch kurz vorher gelernt, dass Bielefeld-Düsseldorf eine Acht-Bier-Strecke ist, kam ich mir mit meinen sechs kühlen Weggefährten etwas ärmlich vor.
Natürlich haben wir trotz 27 Minuten planmäßiger Umsteigezeit am Bahnhof Deutz nur noch die Rücklichter unseres Anschlusszuges gesehen. Aber da einer von uns über hervorragende IT-Kenntnisse verfügt (mehr dazu im Oberhausen-Bericht) und in der Lage war eine Applikation in seinem Mobiltelefon aufzurufen, fanden wir schnell eine Alternativroute mit der Bimmelbahn über Dennis nach Au an der Sieg. Von da aus würden wir schon irgendwie nach Siegen kommen.
Hier erfuhren wir die Heterogenität der rheinischen Frohnaturen aus nächster Nähe, während mache Fahrgäste sich trotz höchst-intellektueller Gesprächsthemen von uns wegsetzten, lauschten andere sichtlich amüsiert unserer Konversation. Diese drehte sich spätestens ab der Hälfte der Strecke um die Blasenfunktionen der Anwesenden, denn die Deutsche Bahn hält es nicht mehr für nötig, in ihren Zügen Örtlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Nur einer von uns – nennen wir ihn einfach „Der Mann mit der Stahlblase“ – zeigte sich davon wenig beeindruckt und schüttete sich weiter fröhlich die Kannen in den Hals.
In Au angekommen wurde dann trotz sehr kurzer Umsteigezeit kollektiv der nächste Busch aufgesucht. Nur der Tischtennisbich vertraute darauf, dass es im Zug der Hessenbahn entgegen der Aussage unseres IT-Spezialisten, der sogar googlen kann, ein stilles Örtchen geben würde. Das war auch tatsächlich der Fall, allerdings sollte sich herausstellen, dass die kleinen Tische im Abteil keinesfalls zum Abstellen von Gegenständen aller Art, insbesondere Kaltgetränken geeignet ist. Glücklicherweise ist das Personal für Extremsituationen aller Art geschult und hat souverän und professionell reagiert.
In Siegen angekommen war uns allen klar, dass dies das dritte Spiel in Folge sein würde, zu dem Schnurzel nicht pünktlich kommen würde. Mit Hilfe eines freundlichen Taxifahrers, der über die Sportfreunde ähnlich sprach wie der Leiderprobte RWE-Fan über sein Team, schafften wir es aber, die Verspätung auf ein Mindestmaß zu reduzieren, auch Dank der Einlasskontrolle, die noch nichtmal Interesse an meinem Rucksack zeigte, in dem sich noch sechs, leider leere, Bierflaschen befanden.
Auf der Tribüne wurden wir von einem äußerst erfolgreichen Geschäftsmann und Tinderkönig empfangen, der freundlicherweise die erste Runde Bier schon für uns bereitgestellt hatte. Spielerisch hatten wir noch nicht viel verpasst und kurz nach unserer Ankunft fiel tatsächlich das erste Tor für unseren RWE. Natürlich wäre die Mannschaft nicht RWE, wenn sie sich nicht kurz danach den Ball in eigene Tor gelogen hätte. Auf eine bekannte Melodie haben wir den Umstehenden mitgeteilt, dass unsere Mannschaft in NRW spielt und was wirklich passiert, wenn Huckle eine Flanke schlägt. Zur Überraschung aller blieb es aber nicht bei einem 1:1. Die Roten zeigten tatsächlich eine gute Leistung, die in einen Kantersieg mündete. Getragen von der Euphorie wurden nach dem Treffer zum 1:4 die Heimfans noch kompetent mit einem süffisanten Lächeln um eine Zigarette angeschnorrt und die Pissrinne im Herrenklo gefeiert.
Für den Rückweg konnten wir uns glücklicherweise in einen Fanbus hineinwieseln, so dass diese Reise deutlich kürzer als der Weg zum Stadion war. Allerdings war einer von uns nicht gerade begeistert von den Bierpreisen, die der Busfahrer verlangte, was uns natürlich nicht davon abgehalten hat, das ein oder andere Stauder zu trinken. Danke Merkel!!!