Und schon wieder keine Schale…

Was haben das letzte Auswärtsspiel der Saison und die erste Runde im Pokal gemeinsam? Kenner der BVB Fanszene werden sich ob der Schwierigkeit dieser Frage vor Lachen kringeln, schließlich ist die Antwort denkbar einfach – beide Spiele sind prinzipiell die Höhepunkte Dortmunder Ausgelassenheit, wobei Außenstehende wohl häufig ein anderes Wort mit gleichem Anfangsbuchstaben benutzen würden…
Aber fangen wir vorne an. Wie jeder Fußballfan in einer erfolgreichen Europapokalsaison musste auch Euer adipöser Lieblingsfettling am Brückentag an die Schüppe, um das arg strapazierte Überstundenkonto ein wenig aufzubessern. Aufgrund der komfortablen Situation auf den pünktlich zu „unserer WM“ dreispurig ausgebauten Autobahnen des Ruhrreviers entschied ich mich entgegen meiner üblichen Gepflogenheiten für die Autoanreise, die mir auch erlaubte noch die Flyer für die „Kein Zwanni“ Aktion nach Hause transportieren zu können. Glücklicherweise hatte ich aufgrund des Neunzigertages am Vortag noch den lokalen Radiosender des Sektors einprogrammiert, so dass ich von der Verlosung der Freikarten für das Sektorderby zwischen RWE und dem Wuppertaler SV am Abend erfahren könnte. Unter Einsatz meines Lebens und nur zweifachem Verfahren auf der Autobahn gelang es mir auch „#Biergerdi“ rufend zwei dieser begehrten Tickets zu ergattern, so dass ich den Rest des Tages im Wesentlichen damit verbringen konnte, Abnehmer für ebendiese zu finden…

Gegen 17:00 Uhr sollte also endlich am bekannten Kopfbahnhof das Wochenende eingeläutet werden, wo sich neben den üblichen Verdächtigen heute auch ein Einsatzhubschrauber unserer Freunde und Helfer einfinden sollte, um den reibungslosen Ablauf eines Viertligaspiels zu gewährleisten, bei dem immerhin knapp 700 Gäste anwesend sein sollten. Da wahrscheinlich nicht nur mäßig begabten Elitestudenten die Worte fehlen, um zu beschreiben, w ie überflüssig dieser Aufwand ist, springen wir sofort ins Stadion, wo sich immerhin die beiden Fanszenen zum Anfang ordentlich bepöbelten und auch entlang des teuren Sitzplatzbereiches einige Gegenstände austauschten. Das Spiel sollte für die Gäste ungleich wichtiger sein, da diese am heutigen Abend den Klassenerhalt unter Dach und Fach bringen konnten, während die Heimmannschaft seit der Niederlage gegen Fortuna Köln sowieso im Niemandsland der Tabelle unterwegs ist und scheinbar auch nicht mehr mit der letzten Konsequenz zu Werke geht. Dementsprechend ging der WSV schon nach 2 Minuten mit dem ersten Torschuss in Führung und der Gästeblock, in dem sich mehr Fans befanden als gewöhnlich bei den Heimspielen der Wuppertaler anzutreffen sind, verfiel in Ekstase und trällerte einmal das komplette BVB-Kuttenrepertoire vor sich hin.

Etwas lethargischer ging es im Heimbereich zu, wo viele wohl ein ähnliches Debakel wie in der Vorwoche befürchteten (1:6 Heimniederlage gegen Mönchengladbach 2). Immerhin leisteten die Roten heute aber heftige Gegenwehr und so wurde das Spiel schlussendlich mit dem letzten Aufgebot nur knapp verloren. Die Tribünen honorierten den Einsatz der arg dezimierten Truppe, in der unter anderem zwei A-Jugendliche ihr Regionalligadebut absolvierten. Schön zu sehen, dass Kampf und Einsatz hier noch entsprechend gewürdigt werden.

Nach dem Spiel versuchten wir noch unser Glück an der bekannten Tankstelle, wo wir zwar noch den ein oder anderen Dortmunder (teilweise mit Piercing) trafen unser aber köstliches Heilwasser verwehrt wurde, da die Essener Horden bereits alles aufgekauft hatten. Letzte Hoffnung war die Freundin unseres Cousins (bekannt aus diversen Beschattungen), die noch am Hafenstübchen einige Granaten organisieren konnte. Irgendwann war aber auch hier das Bier ausgetrunken und so machten wir uns trotz des ominösen Rauchverbotes noch auf in die bekannte Hipsterkneipe, wo wir entweder Fotos von köstlichen Matetee mit bunten Streuseln bei Instagramm teilen konnten oder einfach ein paar Bierle in unsere Prachtkörper schütteten. Entgegen der Wünsche des tapferen Rächer der Gerechten verzichteten wir aber auf eine zünftige Eskalation und zogen in Anbetracht der zu erwartenden Strapazen am Folgetag eine Audienz beim St. Pennematz vor.

Dankenswerterweise hatte Kai-Uwe angeboten die Flyer, meinen Bierkasten und mich mit dem Vieraugenmobil zum HBF zu kutschieren, wo sich im Raucherbereich eine illustre Reisegruppe einfinden sollte. Die beiden kuscheligen Bichs konnten sich heute über zahlreiche Groupies freuen, so begleiteten unter anderem die Schmenkfahne, Gesundheitsfetischist Biergerdi und der lange verschollene Hundefreund Eure Protagonisten in Richtung Bierstand. Dort stellte der Oberhausener Ökotropholge sofort fest, dass weder die Bier noch die Zigaretten Vorräte annähernd drei Stunde ausreichen würden und so wurden einige Konsumgutscheine an die örtlichen Bahnhofsgeschäfte verteilt. Aufgrund der stressfreien Erfahrungen in dieser Saison hatten wir uns erneut für die Anreise mit dem Sonderzug entschieden, der sich so ziemlich die ganze Dortmunder Fanszene anschließen sollte.

Leider unterlief uns der klassische Anfängerfehler und wir machten es uns im ersten Abteil des Zuges in kleiner Runde bequem. Verhängnisvollerweise war dies auch das erste Abteil auf der Kontrollrunde des Schaffners, der uns unter Aufbietung all seiner rhetorischen Kräfte doch tatsächlich ein Wochenendticket aus den Rippen leiern konnte. Skandalös, schließlich sind wir jahrelange in der Gewissheit konditioniert worden, dass wir zwar als Fans keinerlei Rechte haben, wenn es um die Verpflegung an Umsteigebahnhöfen oder die Behandlung als freie Bürger unserer noch freieren Überrepublik geht. Im Gegenzug gestatten uns dafür alle Verkehrsunternehmen aus Mitleid freie Mitfahrt und das Recht überall – auch im Metronom – rauchen und trinken zu dürfen. Pah! Immerhin wieselten sich die geizigsten Fans noch mit Verweis auf theoretisch existierende Fahrkarten in anderen Abteilen aus der Affäre, während sich die anderen Fahrgäste in unserem Abteil auf wundersame Art und Weise verdrückten… Immerhin sah der Schaffner irgendwann die Hoffnungslosigkeit seines Unterfangens ein und verließ auch an der Landesgrenze den Zug.

Von diesem Schock erholten wir uns aber gewohnt schnell und ohne weitere Vorkommnisse erreichten wir die KdF-Stadt bei Fallersleben um die Mittagszeit, wo sich die Reisegruppe auf Dönerladen und Stadionvorplatz verteilen sollte. Für mich und den schlausten Menschen der Welt stand nun die Vorbereitung des Kein Zwanni Protestes auf der Agenda und so verteilten wir Flugblätter, klärten die Fans auf und sichteten die örtlichen Gegebenheiten. Ein großer Dank gebührt an dieser Stelle dem Fanprojekt Dortmund, die uns vorbildlich unterstützten und sogar den Kontakt zu den entscheidenden Personen bei den Sicherheitsdiensten herstellten. Völlig reibungslos wurde unser Ansinnen den Stehplatzblock aus Protest gegen die Topspielzuschläge 20 Minuten leerzulassen genehmigt und im Gegensatz zu den Aktionen in Hamburg stieß unser Aufruf auch dieses Mal beinah ausschließlich auf offene Ohren.

Schlussendlich beteiligte sich tatsächlich der komplette Block an der Aktion und auch die Sitzplätze verhielten sich weitestgehend solidarisch und schlossen sich in großer Anzahl unserem Protest an. Auch wenn viele Fans sich wohl nur deshalb anschlossen, weil es im Gegensatz zum Hamburg Boykott dieses Mal nur um zwanzig Minuten bei einem Spiel um die goldene Ananas ging, kann die Aktion durchaus als Ausrufezeichen verbucht werden. Wiedermal haben wir ein deutliches Zeichen gegen die fortwährende Kommerzialisierung unseres Lieblingssportes gesetzt und nicht nur ein eindrucksvolles, aussagekräftiges Bild generiert sondern auch den Weg in sämtliche Formen der Berichterstattung gefunden. Vielleicht gelingt es uns doch in Zukunft die intrinsische Motivation des Einzelnen zu stärken und auch weiterhin erfolgreich gegen horrende Eintrittspreise zu kämpfen.

Tommy, sg.de

Tommy, sg.de

Zumal sich auch langsam erste Erfolge abzeichnen, Abschaffung der Topspielzuschläge in Dortmund, Verzicht auf Topspielzuschläge im Gästeblock beim ungeliebten Nachbarn, Halbierung der Zuschläge in Mönchengladbach und faire Preise in Düsseldorf sind nicht zuletzt auch Verdienst des Kampfgeistes der organisierten Fanszenen. Wir erwarten mit Spannung, was die Zukunft noch mit sich bringen wird.

Müßig zu erwähnen, dass ohne aktiven Gästeblock die neumodische Allerweltsarena einem akustischen Friedhof glich, zumal auch die Wolfsburger Szene derzeit wohl aufgrund diverser Probleme nicht aktiv in Erscheinung tritt. So wurde es lediglich dann laut, wenn der Gästeblock hinter Tribüne lauthals bezahlbaren Fußball forderte und als Sven Bender zur zwischenzeitlichen Führung einnetzte. Beim Wolfsburger Ausgleichstreffer durch den Ex-Borussen Ivan Perisic ertönte dann noch der bekannte Wolfsburger Torjingle und schon waren ersten zwanzig Minuten vorbei und die Fans konnten endlich (oder leider) vom Bierstand in den Block wechseln. Dort lieferte der Gästehang eine solide Vorstellung ab und feierte Trainer, Team und Fans gebührend für eine weitere gelungene Saison, deren Höhepunkt uns in der Folgewoche erwartet.

Wir verließen nicht ganz mit Abpfiff den Schauplatz des Rangelns um pünktlich zu ebendiesem den Bus in die Tristesse namens Innenstadt zu nehmen, wo wir uns noch zu sensationellen Preisen bei der Lieblingsanwältin des Biergerdi verköstigen ließen und einen Kasten edlen Tropfens zum Schnäppchenpreis erstanden. Danach konnten wir endlich zum gemütlichen Teil des Tages übergehen und ließen den Tag im ordentlich versifften Abteil – dieses Mal in der Zugmitte – gemütlich ausklingen.

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