Fußball statt Hysterie

Während die Qualitätsmedien in den letzten Wochen sich förmlich ob Gewaltexzessen, Sicherheitsgipfeln, ZDF Fernsehgarten und Ehrenkodex sensationsgeifernd überschlugen, herrschte im kulturellen Bicheiland wohltuendes Schweigen. Viel zu lächerlich erscheinen uns die politischen Dimensionen, die die Debatte um das vermeintliche Gewaltproblem in Deutschlands Stadien mittlerweile angenommen haben. Mittlerweile diskutieren nicht mehr Verbände und Polizei sondern gleich die Innenminister von Bund und Ländern. Natürlich ohne wirklich sachkundige Experten von Fanorganisationen oder gar einfache Anhänger zu Wort kommen zu lassen, aber gut, so ist das eben, wenn man Politik macht. Immerhin kann man die sogenannten Fans in Anführungszeichen nun versuchen, mit einem drohenden Stehplatzverbot zur Räson zu bringen, was ja angesichts der dramatischen Zahl von Toten und Verletzen in Deutschlands Stadien äußerst notwendig erscheint. Endlich haben wir wieder ein wirklich wichtiges Problem in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und eine nachhaltige Lösung gefunden. Wenn jetzt noch ein Innenminister eine Schaufensterpuppe anzündet, kann eigentlich gar nichts mehr schiefgehen.

Da ich aber dank dieser Maßnahmen endlich keine Angst mehr vor dem Stadionbesuch haben muss, sollte der Drittligauaftakt am vergangenen Wochenende gerade zur rechten Zeit kommen, um die diesjährige Freundschaftsspiel Tristesse zu durchbrechen. Die ruhmreichen BVB-Pferdchen durften als Aufsteiger direkt am ersten Spieltag an der Bremer Brücke gastieren, eigentlich ein ideales Ziel für den reisefreudigen Fußballchaoten. Während ein Großteil Eurer Lieblingsfamilie noch im Urlaub weilte, hieß es für den adipösen Fettling zu nachtschlafender Zeit mal wieder das Pennematzland gegen den Raucherbereich zu tauschen, wo sich auch pünktlich zur Abfahrt die bekannte Schmenkfahne einfinden sollte. Mit nur einem Ticket zu wenig fanden wir schnell politsches Asyl (schließlich wurden wir vom Schaffner verfolgt) bei einer Gruppe mittelalter Hubitches, die uns großzügigerweise bis Osnabrück auf ihrem Ticket mitfahren ließen. Glücklicherweise sollte sich der Anschluss in Münster dann verzögern, so dass wir in Ruhe aussteigen, umsteigen, Bier kaufen, für Münsteraner Späher gehalten werden, Götz Alsmann treffen und rauchen konnten, bevor wir noch die letzten paar Minuten in die drittgrößte Stadt Niedersachsen fuhren.

Dort erwarte uns am HBF mal wieder ein völlig angemessenes Polizeiaufgebot, das unsere Pläne, sich mit dem übrigen Pöbel am Haupteingang zu treffen, jäh durchkreuzte. So erforderte es schon fast eine nicht aberkannte Promotion in Wieselkunde, um den Schergen doch noch ein Schippchen zu schlagen. Zunächst versuchten wir uns im Raucherbereich zu verstecken, wurden aber gewohnt freundlich zum Nebenausgang komplimentiert. Statt aber den anderen BVB Fans Richtung Stadion zu folgen zogen wir es vor, den benachbarten Parkplatz genauer zu erkunden. Gerade als wir diesen betreten wollten, versperrte und ein absoluter Vorzeigepenner den Weg und fragte uns, wohin wir denn wollten. Während wir den Herren geflissentlich ignorierten und sogar noch unsere Flaschen schenken wollten, nestelte dieser umständlich eine Polizeiarmbinde aus seiner Tasche. War ja klar, dass man sich heutzutage auch bei der Poliezi nicht mehr am Wochenende rasieren muss… Im Gegenzug zeigten wir dann dem zugegebenermaßen wirklich unauffälligen Zivi ein Schlüsselband und gingen unbeeindruckt weiter. Leider erwarte uns an der angesteuerten Bude dann der Zonk in flüssiger Form, da aufgrund der Ramadan Feierlichkeiten an diesem Kiosk kein Bier verkauft wurde.

Wie beim Pokalspiel ging es wieder strammen Schrittes zu Fuß zum Stadion, wo sich bereits der älteste Mensch der Welt eingefunden hat. Nach freudiger Begrüßung und dem üblichen sinnlosen Gelaber ging es dann auch in den zum Bersten gefüllten Block. Dank der planerischen Unfähigkeit seitens des Gastgebers waren hier bei weitem nicht genug Blöcke geöffnet, was den anwesenden Sicherheitsdienst aber wohl nur peripher interessiert hat. Trotz massiver Beschwerden wurde keine Maßnahmen ergriffen und die Fans lediglich vertröstet. Natürlich konnten weder Sicherheitsdienst noch Polizei die Situation entschärfen, womit die staatliche Steuerverschwendung bei Fußballeinsätzen also erneut eindrucksvoll gerechtfertigt wurde.

Leider konnte auch die Mannschaft trotz engagierten Kombinationsfußballs kein zählbaren Erfolge einfahren und so oblag es den eindrucksvoll aufgelegten Ultras von die Amateure die schwarz-gelben Farben gebührend zu vertreten. Lautstrakt und abwechslungsreich präsentierte sich der Gästeanahng und widerlegte das gerade in Osnabrück ausgeprägte gepflegte Klischee der seelenlosen Zweitvertretungen. Sicherlich auch für die Jubilare der Violet Crew eine erfreuliche Gelegenheit sich mal mit einer Gästekurve von Format messen zu können. Ansonsten bleibt aufgrund der schlechten Sicht auch in Halbzeit zwei nicht mehr viel in Erinnerung und so brachen wir schon vor dem Abpfiff in Richtung Bahnhof auf. Auf wundersame Weise sollten noch einige Flaschen Bier zunächst in unsere Hände und anschließend durch unsere Kehlen fallen und trotz fehlender Polizeibegleitung erreichten wir über die Münster und Hamm wieder das wunderschöne Ruhr-Beat ohne GE. Und das sogar ganz ohne brennende Kleinkinder in Winterjacken. So nämlich!

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