Keine Arsenalkarten?

Der gemeine BVB-Fan könnte jetzt natürlich einem der großen Dortmunder Szenevorbilder aus Castrop Rauxel nacheifern und einfach nur meckern, meckern, meckern. Gründe gibt es ja bekanntlich zuhauf: man hat schon wieder keine Arsenalkarten bekommen und das obwohl man mit Atomuhr pünktlich von 23 Telefonen angerufen hat, die Asis, die Karten bekommen haben sind gar keine Fans und verdienen sich jetzt bei Ebay eine goldene Nase, die Duselbayern haben sowieso immer nur Glück und die Blitzbirne mit der Kackfrisur schießt immer nur Abstaubertore zum unwichtigen 1:0, 2:0 und 3:0. Läuft halt nicht. Aber was hilft es, immer nur nach Vorne zu schauen, wenn man an dieser Stelle auch einen keckigen, top eloquenten 1-A Rückblick der letzten BVB Spiele genießen kann.

Drei englische Wochen in Folge mit namhaften Gegnern resultierten für Eure Lieblingsvierlinge natürlich mal wieder in positivem Freizeitstress. Gut, dass wir sonst nicht viel zu tun haben. Nachdem die Kontaktlinsenprobleme beim Bremen-Spiel gekonnt behandelt wurden, ging es bereits am Montagmorgen Richtung Athen, um sich mal Vorort selbst ein Bild des griechischen Finanzhaushaltes zu machen und eventuell einige Sparanregungen zu geben. Gekonnt schaffte es unsere Reisegruppe sich bereits am unübersichtlichen unterirdischen Kopfbahnhof E21 zu verlieren, und so reiste man eben mit verschiedenen Zügen nach Duisburg, von wo aus wir trotz eines beklemmenden Gefühls die Reise zum Flughafen ohne Zwischenfälle fortsetzten konnten.

Dort hatte es natürlich einen Stromausfall gegeben, so dass wir unser Gepäck nur am Sperrgepäckschalter aufgeben konnten, wo noch alle Etiketten per Hand beschriftet wurden. Natürlich gingen daraufhin sämtliche Koffer verloren und man durfte die erste Nacht in wunderschönen Gratisshirts unserer Airline verbringen. Uns sollte diese Kleinigkeit aber nicht weiter stören, immerhin verfügte unser Hotel doch über einen Gratis-W-Lan Zugang und einer 24-Stunden-Bar in direkter Nähe, so dass für allgemeines Wohlbefinden gesorgt war.

Am Dienstag trafen dann auch viele weitere BVB Fans an, so dass der Abend nach einem Mammutsighseeingprogramm doch recht feuchtfröhlich auf einer Athener Dachterrasse ausklingen sollte. Rund 200 BVB Fans hatten sich dort zu einer Konzertveranstaltung eingefunden und wer viel singt, muss bekanntlich auch die Kehle ölen. So kamen wohl alle auf Ihre Kosten und dank der horrenden griechischen Mehrwertsteuer haben wir sicherlich auch unseren europäischen Beitrag geleistet. Gerüchten zufolge soll darüber hinaus auch noch eine deutsche Telefongesellschaft saniert worden sein…

Der Spieltag selber stand zumindest für die Einheimischen ganz im Schatten des Generalstreiks, zu dem wohl alle Gewerkschaften des Landes aufgerufen hatten. Leider beteiligten sich auch die hellenischen Fluglotsen, so dass der Abenteuerausflug nach Athen für den Skibich und den Vieraugenjungen leider ins Wasser fallen sollte. Auch viele andere BVB-Fans waren von den Auswirkungen betroffen (unter anderem gab es natürlich mal wieder zahlreiche Gerüchte, dass man nicht mehr nach Hause kommen sollte), so dass sich letztendlich nur eine überschaubare Anzahl Dortmunder zunächst am Treffpunkt und nachher auch im Stadion wiederfand. Entgegen der üblichen Panikmache wurden wir aber nicht sofort von der örtlichen Hooliganszene unseren Eingeweiden entledigt, sondern durften tatsächlich das Stadion betreten. Glück gehabt. Leider war der Anstoß noch in weiter Ferne und so nutzten wir die Gelegenheit, das weite Runde zumindest mit den Augen zu erkunden. Die Zaunfahnenkultur in Griechenland ist in der Tat schwer beeindruckend, es gibt eigentlich nicht einen Milimeter, der nicht mit diversen Lappen komplett zugepflastert ist. Auch die nun immer zahlreicheren Fans gefielen mir ganz gut. Komplett in rot wurden wir diverse Mal ordentlich bepöbelt. Leider konnten das Niveau nicht über die komplette Spielzeit gehalten werden, aber wenn wirklich mal alle gesungen haben, war die Kulisse in der Tat beeindruckend.

Nicht so beeindruckend hingegen war das Spiel unserer Elf, die es trotz guter Chancen in der Anfangsphase versäumte, den Führungstreffer zu erzielen. Die Griechen hingegen hatten da deutlich weniger Hemmungen und trotz des zwischenzeitlichen Ausgleichs mussten wir uns erneut mit einer bitteren Niederlage abfinden. Echt schade, dass zumindest das Abenteuer Champions League damit wohl beendet sein wird, immerhin haben wir aber dank das Erfolgs im Rückspiel noch alle Chance in der Euro Liga für Furore zu sorgen.

Für uns ging es nach der obligatorischen Blocksperre wieder mit Shuttle-Bussen zurück in die Stadt, wo man noch am Syntagma Platz ein wenig die Tränengasschwaden bewundern konnte. Dieser Platz direkt am Parlament ist sicher auch in den Daheimgebliebenen aus den Medien bekannt – hier entlud sich tagsüber der griechische Volkszorn in teilweise gewalttätigen Ausschreitungen. Wir bekamen hiervon aber nichts mehr mit, waren die Verantwortlichen doch bereits damit beschäftigt, die Spuren der Randale zu beseitigen.

Am nächsten Tag stand dann der wider Erwarten doch pünktlich stattfindende Rückflug auf dem Programm und die französische Fluglinie unseres Vertrauen flog uns in zwei Grüppchen dann wieder sich nach Hause. Alles in allem ein unspektakulärerer Trip als erwartet.

Der darauffolgende Samstag stand dann ganz im Zeichen der sportlichen Wiedergutmachung. Der ruhmreiche BVB fegte den Traditionsverein aus Köln regelrecht vom Platz und nachdem verbal auf der Tribüne von beiden Fankurven noch Steine nach Mönchengladbach geschmissen wurden, soll es scheinbar noch in den diversen Dortmunder Lokalitäten zu intensiven Verbrüderungsszenen gekommen sein. Für mich ging es aber samt Skibich, Katze, tapferem Snör Bertram und dem aus früheren Abenteuern bekannten Schockgenie der Uni Essen ins beschauliche Essen Borbeck auf eine kleine Geburtstagsfeierlichkeit. Erwähnenswert an diesem typischen Heimspieltag ist noch die gemeinsame Spruchbandaktion der FC und BVB Fans zum Thema „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“, die gewohnt eloquent hier dokumentiert ist.

Danach folgten drei schlaflose Nächte, schließlich hatten sich die unbeugsamen Sachsenkrieger aus Dresden angekündigt, um im kapitalistischen Paradies Ruhrgebiet ihr Begrüßungsgeld in Fanartikel zu investieren, um diese dann aufgrund der arktischen Temperaturen im Gästeblock zu verbrennen. Zum Entzünden der Flammen nutzte der durchschnittlich unterprivilegierte Wendeverlierer aber leider kein durchschnittliches Feuerzeug sondern sofort die ein oder andere bengalische Fackel, was natürlich im Nachgang von den hyterischen Wessimedien sofort zur größten Fußballrandale seit der Beleidigung von Dietmar Hopps herzensguter Mutter hochstilisiert wurde. Jetzt dürfen wir uns also mit der Taskforce Sicherheit, dem wildgewordenen sogenannten Polizistenlobbyisten Rainer Wendt, einem Verbot(!!!) von Pyrotechnik und der einfach unschlagbaren Fortuna aus Düsseldorf auseinandersetzen. Top!

Trotz all dieser Widrigkeiten führte uns die anstehende Auswärtsfahrt zu den Wutbürgern ins Schwabenländle, wo der BVB wider Erwarten mal nicht die drei Punkte entführte. Schlussendlich können sich die Schwaben also über einen unverdienten Punkt und eine völlig vom Spiel entkoppelte Heimkurve freuen, während wir noch die Umsätze im örtlichen Supermarkt, in der Kneipe „Zum Dortmunder“ (guter Laden) und am Souvenirstand der Bahnhofsbefürworter ankurbelten. Alles wie immer also, hätten wir nicht auf der Rückfahrt noch den Bruder des Präsidenten von Fenerbace Istanbul kennengelernt, der sich zunächst einige BVB Lieder beibringen liess und uns später alle gemeinsam nach Istanbul einlud. Der bullige Oberhausener Bankkaufmann bedankte sich auf seine Art und legte erstmal einen mehrstündigen Pennematz auf(!) unserem Neufreund ein. Ob wir uns wundern sollten, dass uns die Einladung bisher noch nicht schriftlich zugegangen ist?

Aufgrund des langen Wochenendes fühlte sich das Heimspiel gegen Piräus wie ein gewöhnliches Sonntagsspiel an. Dies hat wohl auch die Mannschaft so empfunden und tatsächlich einfach mal ein europäisches Duell für sich entschieden. Die zahlreich angereisten Griechen schöpften das komplette Gästekontingent aus und beflaggten auch ihre Ecke (s.o.) wieder recht beeindruckend unter anderem mit einigen politisch fragwürdigen Zaunfahnen… Da aber das ausverkaufte Westfalenstadion auch einen guten Tag erwischte, waren die Olympiakos Fans nur selten zu vernehmen, womit man gekonnt den Bogen zum VfL Wolfsburg spannen kann.

Dessen Fans waren – wohl auch in Anbetracht der deutlichen Niederlage – gar nicht zu vernehmen und schafften es noch nicht einmal die Nordost Ecke annähernd zu füllen. Die Wirtschaftskrise scheint zumindest den typischen VW-Schichtarbeiter noch nicht erreicht zu haben. Vereine wie Wolfsburg braucht eben kein Mensch und daher kann man der Mannschaft nur danken, dass sie diesen Drecksverein ein Stück weiter in den Abstiegskampf geballert hat. Den Rest wird der beste Mann wohl auch noch schaffen.

Wider Erwarten werden wir aber dieses Spiel gegen Wolfsburg noch lange in Erinnerung behalten. Dank der Kreativabteilung von THE UNITY wurde erneut eine absolut beeindruckende Choreographie gezeigt, die auch den größten Kritikern gezeigt hat, dass unsere Südtribüne einfach mehr kann als „nur“ Blockfahnen. Die Bichvierlinge danken allen Beteiligten – gutes Ding!

Wer sich übrigens für knapp vierzehnhundert die Langeweile im Büro/an der Drehbank/in der Uni/in der Schule/auf dem Arbeitsamt vertreibende Worte bedanken will, braucht nicht flattern – eine Arsenalkarte würde uns auch schon reichen. Vielleicht überlegt es sich ja die ein oder andere klischeehafte, niemals auswärtsfahrende, shoppinggeile Suffkutte noch… 😉

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