Meine Fresse – diese Sommerpause geht einem dann irgendwann dann doch richtig auf den Sack. Empfindet man Ende Mai ein zwei Tage Wochenende noch als äußerst erholsam, setzt spätestens im Juli wieder das gewohnte Kribbeln ein und man wünscht sich eigentlich nichts mehr, als endlich wieder Fußball im Stadion zu sehen. Und zwar – mit Verlaub – richtigen Fußball mit richtiger Atmosphäre. Nicht irgendwelche Testspiele auf Dorfsportplätzen, keine Sponsorencups in Multifunktionsarenen und schon gar keine künstlich zu einem Massenereignis stilisierte Frauenweltmeisterschaft inklusive „Rudelguckens“ (wer im Sommer draußen „feiern“ will, soll zur Love Parade gehen).
Lange Rede, kurzer Sinn. Am vergangenen Wochenende durften Eure Lieblingsfettlinge endlich wieder die Fußball Diaspora verlassen und dem DFB-Vereinspokal sei Dank diverse Spiele am Wochenende verfolgen. Schon bald nach der Terminierung der ersten Runde stand es fest, dass es am Freitag Abend zur großen Familienzusammenführung im Rahmen des Kicks zwischen den Traditionsvereinen Rot-Weiss Essen und Union Berlin kommen sollte. Da wir ein ausverkauftes Gerg Melches Stadion erwarteten, deckten wir uns bereits im Vorverkauf zu fanfreundlichen 7,50 Euro mit Eintrittskarten ein. Zum Vergleich, der knuffige Retortenverein aus Sandhausen wollte ernsthaft 18 Euro für einen Stehplatz und sogar völlig vermessene 49 Euro für einen Sitzplatz beim Erstrundenkick gegen Borussia Dortmund verlangen. Glücklicherweise wurden zumindest die Stehplatzpreise noch dank der Intervention der Initiative „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“
auf 15 Euro korrigiert, was immer noch einem teuren Vergnügen auf Bundesliganiveau entspricht – aber immerhin nicht mehr ganz so unverschämt erscheint.
Der vergangene Freitag begann für Euren adipösen Lieblingsbich mit einer äußerst guten Nachricht – acht Wochen nach seiner schweren Verletzung wurde er endlich von der Schiene um seinen kleinen Finger befreit und gilt fortan als geheilt vom schlimmsten Bruch aller Zeiten. Dr. Müller Wohlfart persönlich sei an dieser Stelle für die kompetente, konservative Behandlung gedankt, die Herwig auch selber stets vehement eingefordert hatte. Dementsprechend gut gelaunt traf ich auch pünktlich am vereinbarten Treffpunkt ein,der angenehmerweise direkt vor meiner Haustür auserkoren wurde. In äußerst illusterer Runde ging es dann für die teilweise extra aus Dortmund angereisten, tapferen Suffis durch die harte Schule der Kneipenszene Essens. So wurden beispielsweise schon am frühen Nachmittag harte Alkoholika auf Kosten eines Essener Edelschuppens gereicht, die zumindest einigen Anwesenden eine angemessene rot-weisse Farbkombination ins Gesicht zauberte.
Leider schlugen wir aus finanziellen Gesichtspunkten (ist ja nicht jeder ein Kartoffellord oder Umweltbanker) das Angebot einer Taxifahrt zur Hafenstraße aus und gondelten mit Opa Luscheskowski seinem Bus zu den Resten der Ruine, die einst als das modernste Stadion Europas galt, und von Ex-Radioikone und immernoch-Prekariatssympathisant Manni Breuckmann nicht ganz zu Unrecht mit Beirut verglichen wird. Dort verlaberten wir auf dem Vorplatz mit allerlei Bekannten die wenigen Minuten bis zum Anstoß, bevor wir feststellen mussten, dass es heute nicht nur richtig voll wird sondern auch unmöglich sein würde, sich zu verpflegen. Der große Andrang und die Tatsache, dass eben echtes Essener Heilquellwasser und keine Hochsicherheitsspielplörre (und das trotz der Anwesenheit eines alten Bekannten Egbert. G. – mittlerweile i.Ü. ehrenamtlicher Berater der Regionalliga in Sicherheitsfragen) gereicht wurden, bedeuteten ungewollten und ungeplanten Verzicht auf allerlei Leckereien.
Fairerweise muss man aber an dieser Stelle anmerken, dass die Roten auf dem Platz sich alle Mühe gaben, die Fans so zu unterhalten, dass es keiner anderen Rauschmittel bedurfte. Ein rassiges und kampfbetontes Spiel, dazu Flutlichatmosphäre und volle Hütte (rund 1500 Unioner im Gästeblock) rissen das Publikum förmlich mit und als nach 71. Minuten das 2:0 für Essen fiel, schien das Ding auch gegessen zu sein. Wie auf Kommando hing Union alle(!) Fahnen ab und trotte Richtung Ausgang. Doch wer RWE kennt, der weiß natürlich, dass ein 2:0 Vorsprung einfach bedeutungslos ist und folgerichtig konnte Union mit Schlusspfiff ausgleichen. Normalerweise sollte dies eigentlich in Resignation resultieren, die Rot-Weissen erkämpften sich in der Verlängerung sogar leichte Vorteile und so war es im Endeffekt Union, die sich ins Elfmeterschiessen retteten. Doch wurde wie die Floskel, dass sich Geschichte wiederholt, einmal mehr bedient und so war es Vincent Wagner, dem Torschützen des entscheidenden Tores gegen Cottbus vier Jahre zuvor, einmal mehr vergönnt, Essen eine Runde weiterzuschiessen. Die anschließenden Feierlichkeiten gestalten sich dann auch entsprechend ekstatisch, wie man den einschlägigen Videoportalen entnehmen kann. Aus getränketechnischen Gründen verließen wir recht bald die Szenerie und gaben uns noch in diversen der gleichen Kneipe wie vor dem Spiel der Eskalation hin.
Immerhin hatte man auch die nächsten Tage noch was davon, zwar kein Kopfweh, aber genug Diskussionsstoff für die Busfahrt nach Sandhausen und einen Sonntag bei Facebook.
Da dieser Bericht schon wieder viel zu lang geworden ist, kommt der Sandhausenteil erst morgen, damit Ihr in den Zügen dieser Republik was bei der Anreise zum Westfalenstadion zu lesen habt.
Ein Gedanke zu “Fußball, ihr Kutten!”