Sevilla Fútbol Club, Paris Saint-Germain Football Club und ФК Карпати Львів. Diese Vereine wird der magische Ballspielverein in den nächsten Wochen herausfordern. Dass wir nach acht Jahren wieder europäische Gruppenspiele sehen dürfen bzw. ich zum ersten Mal in diesen Genuss kommen werde liegt natürlich an unserer Knaller-Fahrt nach Baku. Irgendwo ist es schwer fassbar, dass ich alles an quasi einem Tag abgespielt haben soll:
Über das ganze Prozedere berichtete ja sogar die regionale Presse und überall kursierten mehr oder weniger seröse Reiseberichte, Tipps und Ratschläge. Folglich machten wir uns rechtzeitig in den von Thomas Wark beim Hinspiel erwähnten Bullis auf den Weg in den Kaukasus.
Zum Glück fuhren wir in einem Raucher-Bus, sodass Vater Erbse nicht auf seine körperlichen Gelüste verzichten musste. Achne, er hat ja doch drauf verzichtet. Er hat ja garnicht geraucht! Der kleine Abenteurer hatte netterweise im totalen Chaos die besten Plätze rechtzeitig gesichert, sodass ich meine langen Grätschen auch ad äquat unterbringen konnte. Leider gab es an Bord nicht das beste Flugzeugessen meiner Reisekarriere und auch nicht das leckerste Zitronenparfait, von dem ich auch leider nicht vier Stück essen konnte. Das war besonders ärgerlich weil der hungrige Abenteurer am darben war. Glücklicherweise erlag er aber nach seinem anstrengenden Seat-Safe-Einsatz noch vor Abfahrt der Order des heiligen St. Pennematz.
Die Einreiseformalitäten waren in Baku dann reine Formalität. Den regulären Einreisestempel bekam man relativ schnell. Und offensichtlich scheint mein kolportierter Ruf auch schon in den Kaukasus vorgedrungen zu sein, immerhin wurde ich gefragt ob ich Aseri spräche. Die Erteilung der Visa gestaltete sich dann etwas inkommod. Die Sommerferien, der Rammadan und das alltägliche Bananenfest dieser stolzen Republik forderten ihren Tribut. Da wir diesen aber nicht zollen wollten oder konnten waren von den regulär vier anwesenden Einreisebeamten drei „verhindert“. Folglich dauerte es grandiose viereinhalb Stunden bis wirklich alle abgefertigt waren. Bis dahin lümmelte man stundenlang auf kalten Fliesen, ohne Essen und Trinken und harrte der Dinge die in slow-motion vor sich gingen. Da die Reihenfolge weder nach Gesicht, noch nach Alphabet geregelt wurde, ergab sich eine willkürliche Verweildauer in dieser luxuriösen Visa-Lounge. Immerhin wurde nach knapp zwei Stunden ein wohlriechendes und labendes Mineralwasser-Mineralöl-Gemisch zur Erquickung gereicht und nach dreieinhalb Stunden, nachdem das ausgiebigste Morgengebet der Welt absolviert war stieg auch nach und nach die Anzahl der Einreisebeamten. Der Alterspräsident verwies mich auf die Plätze und riss den goldenen ersten Platz für die längste Wartezeit an sich.
Am Flughafen offenbarten sich direkt die ersten Parallelgesellschaften: Am Kölner Flughafen war noch das Bier ausverkauft gewesen – in Baku gab es am Ende nur noch Hochprozentiges zu erwerben. Aber das sind halt nicht die USA, sondern USAserbaidschan! Am Flughafen dann noch schnell an Wechselstube und Geldautomat ein paar Mantas gezogen und ab in die Stadt. Zu dem Geldautomaten sei noch anzumerken, dass auf dem Gerät ein herrenloses Handy lag, an dessen anderen Ende ein Muezzin lautstark den Vorbericht zum abendlichen Spiel verlas. Dem erstklassig geschulten, sprachlich versierten und sensationell engagierten Sicherheitspersonal am Flughafen sei es gedankt, dass diese potenzielle ferngesteuerte Bombe rechtzeitig entschärft werden konnte. Und falls irgendwer, irgendwann jemals noch nach Baku reist: Das Passwort für das geschützte WLan im Bistro lautet „kafepilot“. Ungewohnt war die Passage in die Stadt dahingehend, dass veranschaulicht wurde wie man effizient eine vierspurige Autobahn mit sieben Spuren bei 140 km/h befährt, insbesondere jedoch, dass nicht an jeder Brücke, Mauer oder Verkehrsinsel ein SGD HOOLS prangte.
In der Stadt war dann Kulturprogramm für den ausgemergelten Haufen angesagt. Kulturprogramm ist jedoch ein sehr subjektiv auslegbarerer Begriff. Unsereiner stiefelte durch die Altstadt und genoss u.a. für ein paar Kopeken die Aussicht vom Jungfrauenturm, dem Wahrzeichen von Baku und dem ganzen Land. Ein Wuppertaler Maggi-Lieferant erlebte sogar den größten Moment im Leben eines Mannes als er das Windrichtungs-Kamel auf dem Anemoskop erblickte und sich anschließend direkt ein Swörd kaufen wollte. Den Nachmittag lungerte man bei über 30°C und schwüler Hitze dann überwiegend am Fountain Square bei Döner und Getränken mit Einheimischen rum, die auffällig oft Deutsch sprachen.
Das Spiel im Stadion spielte nach dem klare Hinspiel quasi keine Rolle mehr. Für den Spielbericht sind andere verantwortlich. Die sanitären Einrichtungen mussten offensichtlich schon des Öfteren das Motto „Baku, Baku, wir scheißen euch zu“ erdulden. Als Block wurde uns ein schmales Tortenstück im großen Rund des Nationalstadions zugewiesen. Und damit wir uns nicht verlaufen oder ein Ölfeld anzünden waren noch 3000 Soldaten und Polizisten vor Ort. Der aserbaidschanische Fan an sich ist schwer zu durchschauen. Er setzt einfach grundsätzlich unkoordiniert auf Krach, wozu auch pfeifen gehört, lässt alle paar Sekunden eine Laola-Welle los wenn die eigene Mannschaft die Mittellinie überschreitet und steht generell auf Andere-Kultur-Dauerbeschallung, einer aserischen, zwei-Wörter-Variante des Refrains von Ricky Martins „Cup of life“. Borrusia FC kontrollierte das Spiel, ohne selbst zu brillieren was das Spiel zu einem müden Kick verkommen ließ. Und wenn die Mannschaft schon keinen gepflegten Ball spielen will, machen‘s die Fans halt selbst und ließen einen Foulball minutenlang durch den Block kreisen und betätigte sich diverser Wasserspiele. Dortmund kann schon ziemlich albern werden.
Die Ticketpreise gab‘s natürlich zum Discount-Preis, dem 30-fachen dessen was die Aseris zahlen mussten. Aber das passt halt alles zu dem ganzen Gebaren von Willkür und Schikane. Aserbaidschan besitzt eine der niedrigsten Kriminalitätsraten von ganz Europa (Aserbaidschan sitzt im Europarat, deshalb muss man das wohl so stehen lassen) – gleichwohl, oder auch gerade deswegen besitzt dieses eigentlich schöne Land einen der höchsten Grade an Korruption in Europa. Da wird gerne mal für Gefälligkeiten, aber auch für selbstverständliche Abläufe willkürlich die Hand aufgehalten und ein Diebstahl wird zum Geschenk umdeklariert. Aber davon darf der betroffene Herwig aus eigener Feder berichten. Da strebt ein Land offensiv auf den Tourismusmarkt und verbaut sich etliche Chancen mit Praktiken einer Bananenrepublik. Der investigative Ewald Bich hingegen strengte mit dem iranischen Geheimdienst Anforschungen an, die darin gipfelten, dass alle Schikanen uns gegenüber, infame Racheakte waren weil die Aseris in Dortmund unverschämter weise den regulären Preis zahlen mussten und angeblich Opfer von Ordnerwillkür wurden. Faires Ding!
Am Flughafen selbst mussten wir nach natürlich wieder ein paar Stunden absitzen oder aber im Dirty-Free-Shop verbringen. Natürlich spiegelte sich auch hier wieder die sicherheitspolitische Doppelmoral wieder. Einerseits gab es 3 intensive Sicherheitschecks inkl. Nacktscanner – dafür gelang es dem listigen Ewald 1,5 Liter Benzin in einer Wasserflasche und 0,5 Liter heimisches kaspisches Rohöl in einer Pepsi-Flasche ohne Probleme durch die Schleusen zu schmuggeln. Nachdem dann endlich auch mal unser Flieger bereitgestellt wurde und bei den Abwicklungen etwas mehr gedrängelt wurde saßen wir endlich wieder in unserer tschechischen Chartermaschine. Und wie es sich für Charterflüge geziemt wurde auch ordentlich geklatscht. Aber in diesem Fall nicht bei der geglückten Landung (das war auch eher ein Einschlag! Fast so wie Göteborg City Airport!) sondern direkt beim Start. So viel zum Land Aserbaidschan. Die Landung in Köln war trotzdem recht pünktlich und nachdem sich alle während des Flugs so benommen hatten, spendierte der Sparkassenmitarbeiter unseres Vertrauens (Wieso hast du eigentlich keine Mantas klar gemacht?) eine Runde Räucheraal im Regionalexpress.
Bei allen Hindernisse, Schikanen und Willkür: Irgendwo sind es doch auch die Reize des Europapokals. Des Fremden. Sitten, Gebräuche und die landestypische Folklore muss man wohl oder übel, solange niemand tatsächlich ernsthaft zu Schaden kommt, über sich ergehen lassen. Hier muss man seine Deutsche Arroganz und Egozentrie mal zu Hause lassen. Wesentlich skandalöser ist es meiner Meinung nach, in einem fernen Land, das man wahrscheinlich nie wieder betreten wird, den ganzen Tag mit genau den gleichen Fressen wie sonst auch immer in einer Kneipe zu verschwenden. Das ist es irgendwo nicht wert!
Auf viele weitere Europapokal-Abenteuer!
Zum Ficken zu faul, zum Wichsen zu faul, dicke Titten Kartoffelsalat! Oho oho ohooooo!
Heute morgen erhalte ich von Amazon eine Mail mit der Kaufempfehlung: „Regen am Kaspischen Meer“ und „Der Morgen der Trunkenheit“. Woher wissen die?
Langsam mache ich mir Sorgen wegen dieser Datenkrake von der alle reden. 😉