Von Underdogs, Kleebären und Deeskalationshunden

Der Schrankwart lädt zum Kegeln und alle versammeln sich. Alle? Nein! Der Metrische musste leider auf einer Karnevalssitzung Witze erzählen, Ewald und Kai-Uwe wollten lieber die Sek-SV von HRO angreifen, der älteste Mensch hatte in Alterssenilität vergessen, dass die 2. Bundesliga schon um 18 Uhr anstößt. Andere Menschen stoßen sogar noch früher an und machen im Bahnhofskneipenhopping den Städtepunkt Oberhausen bei einem köstlichen Altbier mit einem klitzekleinen Schuss Cola klar und begutachten das in Oberhauesen urbanistisch und stadtmorphologisch praktizierte Prinzip der toten Innenstadt. Und weil es so viele Ausfälle auf schwarzgelber Seite gab war sich 1860 (mal wieder) nicht zu schade das Kontingent wieder aufzufüllen.

An der Stadionkasse ging es dann erfreulicherweise recht schnell von Statten. Eigentlich ist es jedoch ein trauriges Indiz. In euphorischen Zeiten zu Beginn der Saison verpassten wir vor lauter Andrang noch den Anpfiff, heutzutage wo die Macht vom Niederrhein und vom Ruhrpott sowieso im Tabellenkeller rumkrebst verlaufen sich nicht einmal 5000 Unentwegte ins Niederrheinstadion. Da gibt Oberhausen schon ein schlechtes Bild ab, gleichwohl es natürlich in direkter Konkurrenz zu den blauen Hurensöhnen, zum MSV und selbst zum RXE, der, obwohl zwei Klassen niedriger angesiedelt, mehr Zuschauer anzieht, steht.

HRO wusste direkt mit Anpfiff zu gefallen und überzeugte mit einem schön anzusehenden Intro. Fahnen in dreierlei Farben als Tricolore in Blockgröße arrangiert, Rauch und Stroboskope. Mal sehen ob wir das morgen von den Frankfurter Würstchen auch zu sehen bekommen wenn die Ordnungsmacht mittlerweile schon Sprengstoffspürhunde einsetzt um auch den letztmöglichen Keim im klinisch desinfizierten Fußball zu tilgen. Die erste Halbzeit war für uns Fußballästheten ein Augenschmaus, die von der zweiten nochmals getoppt wurde. Dem netten Intro folgte ein recht keckiger selbstkritischer Umgang mit verpassten Chancen und einem damit verbundenen Platzverweis. Dürfte wohl einmalig gewesen sein, dass ein Spieler vom Platz fliegt weil er mit Sand nach dem Linienrichter wirft. Manieren sind halt wieder in Mode. Konnte man auch darin erkennen, dass sich Rostock während des Spiels auch noch einmal förmlich und lautstark der versammelten Runde als Hooligans vorstellte. Als Rostock sich dann jedoch zur Nummer eins im Pott proklamierte war das Maß selbst für RWO voll und der Kleebär netzte nach 750 torlosen Minuten zweimal ein. Am Ende des Tages also ein 2:1 Heimsieg und drei wichtige Punkte für den Klassenerhalt.

Der Rückweg war dann auch recht keckig. Zuerst vollführten wir am Bahnsteig die eisenbahnerische Königsdisziplin: Am Bahnsteig stehen und nicht mitkriegen, dass der Zug ein- und auch wieder ausfährt. Was wäre passiert wenn sich Robert Enke so dumm angestellt hätte? Niemand hätte aus dieser schrecklichen Entgleisung seine Lehren ziehen können! Die Welt wäre um ein Medienereignis ärmer gewesen. Zum Trost wollte der örtliche Budenbesitzer Herwig tatsächlich eine Dose Veltins schenken. Zum Glück fuhr ja bereits um 20:31 aus Gleis 4 der nächste Zug. Die halbe Stunde Wartezeit wurde uns jedoch darin versüßt, dass Rostock, welches mit Freibier schon am Hbf empfangen wurde am Bahnsteig gegenüber noch ein Tänzchen mit den Bullen veranstaltete. Schön zu sehen, dass sich manche Szenen auch einfach mal wehren wenn sie völlig übertrieben direkt mit Deeskalationshunden und inadäquaten Personaleinsatz angegangen werden. Zum Glück hat die Oberhausener Youtubeultraszene alles dokumentiert. Die S3 zwischen Essen und Oberhausen führt neuerdings auch über Angola. Anders kann ich mir nicht erklären, dass eben jener Zug beschossen wurde obwohl topographische keine Anzeichen darauf hindeuten!

Da die Fußballelite jedoch auch noch vor das Leder treten sollte ging es auf eine sehr erfolgreiche Suche nach einem Rüttenscheider Etablissement. Unter dem Strich haben wir jedoch alles wichtige des Spiels gesehen und das In-Lokal Brunnen-Hotel blieb uns erspart. Seriöse Menschen gehen nach Schlusspfiff und ein paar Bieren auch einfach nach Hause. Aber auch wenn der Abend zumindest mal als Kegelevent angedacht war wird gerne etwas tiefer ins Glas geschaut und irgendwann auch dem Würfelsport gefrönt. Und wenn man erst um 10 Klausuraufsicht hat kann man ja getrost noch seine 10 Bier trinken. Leider wurde auch relativ oft geklopft sodass dann auch die eine oder andere äußerst günstige Baileysrunde (In diesem Lokal dürfte tatsächlich Baileys ausgeschenkt werden) am Tisch verköstigt wurde. Leicht unseriöse Menschen gehen spätestens dann nach Hause. Aber wir mussten noch zumindest kurz in die Familienkneipe um unser Deputat einzufordern. Da das leider nicht klappte musste das uns Zustehende halt mit Würfelkraft errungen werden.

Irgendwann sollte jedoch auch dieser Abend sein Ende finden. Und weil mir der kurze Heimweg im Vergleich zu den anderen Keglern, die alle im Kneipenumfeld wohnen noch zu unspektakulär war machte ich mit dem 38er-Express noch eine kleine Studienreise nach Kamen. Tendenziell eher unorthodox dort auszusteigen wenn man dort nicht wohnt. Aber was macht man nicht alles um genau 24 Stunden, nachdem man die Wohnstatt verlassen hat dort wieder aufzuschlagen. Blöderweise muss ich aber wohl meine Stimme in Kamen vergessen haben.

Die gestern aufgeworfene Frage zum Brainfreeze kann ich dahingehend beantworten, dass der Schmerz möglicherweise durch einen Kältereiz im oder am Gaumen erzeugt wird der aus der kälteinduzierten Verengung der Blutgefäße resultiert. Dopplersonographisch konnte in Einzelfällen bewiesen werden, dass die Durchblutung der mittleren Hirnarterie bei Betroffenen abnahm, eine tatsächliche Abkühlung oder gar Gefrierung des Hirns oder anderer Schädelkomponenten ist jedoch Humbug.

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