Aus wieder einmal gegebenem Anlass und Wunsch Ewald Bichs steht heute die allgemein bekannte Trinkerweisheit „sieben Bier sind auch ein Schnitzel“ unter genauer Beobachtung. Diese These impliziert den hohen Nährwert des Alkohols und dessen ökotrophologischen Folgen bis hin zum über Jahre hinweg antrainierten Bierbauch.
An dieser Stelle tritt direkt der erste gesellschaftliche Irrglaube. Der Bierbauch rührt gar nicht von einem übermäßigen Bierkonsum, Leibesfülle und Alkoholgenuss stehen in keinem Zusammenhang. Zu diesem Ergebnis kam 2003 in einer Studie das London University College. Das Ergebnis ist für beide Geschlechter eindeutig: „Bei Männern stehen Bierkonsum und BMI in keinem Zusammenhang“, so die Forscher. Sprich: Männlicher Biergenuss hat nichts mit dem Leibesumfang zu tun. Bei Frauen sind die Ergebnisse sogar noch erstaunlicher. Denn Frauen, die moderat Bier trinken, sind im Durchschnitt sogar etwas dünner als ihre abstinent lebenden Geschlechtsgenossinnen. Bier hat nach Wasser und Tee die wenigsten Kalorien, daran liegt es also nicht. Dieser Vergleich ist jedoch auch nur Augenwischerei, schließlich sind die durch das Bier konsumierten Kalorien eine Zusätzliche Aufnahme und kein Substitut. Wer trinkt schon fünf Liter Tee? Biertrinker sind aber natürlich sozial integrierter und kommunikativer als Abstinenzler, sie sind gesellige Menschen. Und wer gern ausgeht, hat ja auch manchmal Hunger. Die überschüssigen Kalorien kommen vielmehr eben von jenen, häufig fettigen Speisen, die beim Trinken konsumiert werden. Das Bier ist ganz und gar unschuldig.
Doch gehen wir zurück zur Ausgangsfrage und sezieren die medizinisch-philosophische These. Gehen wir beim Ausdruck „Bier“ von einem für Gastwirtschaften im geomorphologisch zauberhaften Essener Süden typischen Glas mit 300 ml Stauder Pils aus. Stauder hat einen Alkoholgehalt von 4,6 %. Der Brennwert von 177 kJ bzw. 42 kcal pro 100 ml wird zu 65% über den Alkoholanteilgedeckt. Sieben Bier haben dementsprechend dann 882 kcal. Wenn man von einem Tagesbedarf von 2500 kcal ausgehen kann sind diese sieben Bier also schon ein relativ großer Brennwert. Wenn man jedoch dann ein klassisches Schweineschnitzel zum Vergleich heranzieht, so besitzt dieses einen Brennwert von rund 200 kcal / 100g, ein Schweineschnitzel Wiener Art etwas 210 kcal / 100g. Um somit auf einen vergleichbaren Brennwert zu kommen muss das Schnitzel also schon ein Gewicht von über 400g haben. Das ist zwar relativ viel, jedoch nicht unüblich. Wenn man ein echtes Wiener Schnitzel, also Kalbfleisch ansetzt, so darf dieses etwas kleiner sein, weil ein Wiener Schnitzel etwa 250 kcal pro 100 g hat. Allerdings geht diese Rechnung vom reinen Schnitzel aus und lässt das Bratfett und gegebenenfalls eine Sauce oder Beilagen außer Acht.
Wer zu den Fettesten Fans der Welt gehören will, der stellt diese Milchmädchenrechnung jedoch direkt und rechnet mit der klassischen Rullichspeisekarte. Eine Frikadelle hat etwa 250 kcal pro 100 g, ein Baileys bringt mit seinen 49% Fett stattliche 334 kcal pro 100 ml auf die Waage. Auch hier kann man ebenfalls den Vergleich ansetzen. Sieben Baileys sind etwa eine Frikadelle. Das dies dann zu einem Bierbauch führt ist jedoch ebenfalls nicht erweisen. Gerade bei einem gesteigerten Bierkonsum verläuft schließlich die Kalorienaufnahme unter Umständen antiproportional zum verkonsumierten Bier (Vgl. Sitzung Vomitis cervisiae).
Ähnlich antiproportional verhält es sich, wenn man das Problem nicht aus der ökotrophologischen sondern aus der physikalischen Warte aus betrachtet. Die bisherigen Milchmädchenrechnungen lassen eines völlig außer Acht: Die Thermodynamik! Hierbei muss man wieder bei der Kalorie an sich ansetzen. Eine Kalorie ist als die Energiemenge definiert, die benötigt wird um 1 g luftfreies Wasser bei einem konstanten Druck von 101,325 kPa (dem Druck der Standardatmosphäre auf Meereshöhe) von 14,5 °C auf 15,5 °C zu erwärmen. In unserem Fallbeispiel heißt das, dass das Bier, welches gewöhnlicher weise mit einer Temperatur von circa 7 °C getrunken wird, im Verdauungsapparat natürlich auf Körpertemperatur erwärmt wird. Zusätzlich handelt es sich bei der Verdauung an sich natürlich auch noch um einen energieintensiven Vorgang.
Ausgehend von einer Körpertemperatur von 37°C und einer Biertemperatur von 7°C gilt es also eine Erwärmung des Substrates von 30 Kelvin zu stemmen. Handelte es sich hierbei um Wasser benötigte man hierfür bei unserem Standardglas schon 9000 Kalorien. Diese muss unser Körper aufbringen, da die Körpertemperatur konstant bleiben muss. Die Thermodynamik lässt sich nicht belügen.
Jetzt muss man natürlich noch die 126 Kalorien des Bieres abziehen. Unter dem Strich betrachtet verliert man also 8874 Kalorien bei einem eiskalten köstlichen Glas Stauder. Natürlich ist der Verlust umso größer, je kälter das Bier ist. Diese Art Kalorien abzubauen ist, wie jedem einleuchten mag, viel wirksamer als z.B. ineffektive Sportarten wie Fahrradfahren oder 12 km Joggen.
Wenn man somit auch die andere Seite der Naturwissenschaft mit einbezieht muss man ganz klar feststellen: Diese Trinkerweisheit muss wahrscheinlich nach einem Kasten Bier erdacht worden sein, entbehrt jeder physikalischen Grundlage und basiert nur auf ernährungswissenschaftlichen und medizinischen Halbwahrheiten und Stümperei. Alternativ können die Mathegenies der Familie Bich gerne beweisen, dass 62118 = 800 ist – das ist nämlich die Kalorienanzahl, die man beim Genuss von sieben Bieren verliert bzw. die, die man durch das Schnitzel hinzugewinnt.
Euer JVL
Studenten auf’s Maul! Ihr habt viel zu viel Zeit. Prost!